Kann Rückenschmerz durch die Zahnspange verursacht werden?

Frage von Frau M.H.

Mein Sohn, fast 14 J., hat seit 8 Monaten ein feste Spange. 2 Wochen nach dem Einsetzen bekam er Rückenschmerzen. Diese wurden immer häufiger und stärker. Im Januar waren die Schmerzen so stark, dass er 3 Wochen die Schule nicht besuchen konnte. Wir suchen in alle Richtungen: MRT, Blutwerte, Physiotherapie, Stress in der Schule, Osteopatie.Bisher ohne den Grund für die Schmerzen zu finden. Der Osteopat meint, die Rückenschmerzen kämen von der festen Spange, da mein Sohn über heftige Schmerzen klagt, wenn er am Kopf behandelt wird. Die Kieferorthopädin meines Sohnes hält das für abwegig. Was halten Sie von dieser Theorie? Ich würde mich über eine Antwort freuen. Vielen Dank im Vorraus. M. H

Antwort Dr. Weber:

Sehr geehrte Frau M.H.,

Die einfache Antwort vorne weg: ja ich glaube schon, dass der Schmerz durch den Eingriff im Mund kommen kann.
Aber erstens sind einfache Antworten meist zu einfach und zweitens heißt „glauben“ nicht „wissen“. Viele, sogenannte evidenzbasierte wissenschaftliche Studien, gerade aus dem anglo-amerikanischen Bereich, verneinen Zusammenhänge zwischen Zahnveränderung und Körperstatik (inklusive Kiefergelenk). Viele Studien basieren in ihren Aussagen aber auf Statistik, insbesondere der Gauss’chen Normalverteilung. Dies besagt, grob gesagt, das die Mehrheit einer Gruppe in der Mitte liegt, wenige darunter, wenige darunter. Sie kennen das von Klassenarbeiten, in der Regel viel 2-5, wenig 1, wenig 6. Mit einer Aussage, wie „diese Klasse ist total durchschnittlich“ hat man zwar dann statistisch den Nagel auf den Kopf getroffen, wird aber weder den 1ern noch den 6ern gerecht. Die Einen bräuchten vielleicht einen leistungsstärkeren Klassenverband, die Anderen Nachhilfe und Aufbau.

Unser Praxisalltag lehrte uns bisher eben auch, dass statistische Verallgemeinerungen zwar für gewisse Richtungsvorgaben hilfreich sind, der einzelne Patient aber durchaus einer individuellen Planung und Therapiefürsorge bedarf. Ohne ihr Kind persönlich gesehen zu haben, würde ich bei den geschilderten Befunden wahrscheinlich zweigleisig vorgehen: in unserem interdisziplinären Arbeitskreis, hier in Ludwigshafen, würde ich mir profunden Rat aus anderen Fachrichtungen holen (Osteopathie, Orthopädie, HNO usw.), parallel würde wahrscheinlich die KFO-Therapie unterbrechen. Man kann dies ohne all zu großen Aufwand tuen, indem man aktive Bögen aus den Brackets nimmt und bei Bedarf eine Michigan-Schiene einsetzt. Dies wäre aber abhängig von Vorbefunden die wir routinemäßig bei uns erheben. Ich kann also nicht sagen, inwieweit dies auf den Behandlungsstand Ihres Kindes übertragbar ist.

Viel Erfolg und gute Besserung
Ihr
Dr. Joachim Weber

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